Das Berufsbild des Molekularmediziners wurde geschaffen, um naturwissenschaftliche Expertise mit klinisch relevantem Fachwissen zu verknüpfen und somit Spezialisten für die immer komplexer und größer werdenden Themenbereiche zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung auszubilden.
Die meisten Molekularmediziner schließen an ihr Bachelor- und Masterstudium eine Promotion an. Eine Promotion ist insbesondere an den Universitäten, aber auch in der Pharmaindustrie eine wichtige Qualifikation, welche den Eintritt in höhere Positionen ermöglicht. Aufgrund ihrer breiten und fundierten Ausbildung können Molekularmediziner in vielen Berufsbereichen arbeiten. Einige dieser Berufsbilder möchten wir Euch hier vorstellen.
Viele Molekularmediziner arbeiten im Bereich der Grundlagen- und der klinischen Forschung an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen. Durch ihr Studium der Molekularen Medizin, welches Forschung und klinische Medizin verbindet, füllen Molekularmediziner eine Lücke, die Ärzten aufgrund der zeitaufwändigen Patientenversorgung und Biologen wegen ihres anderweitigen Ausbildungsschwerpunktes nicht schließen können.
Molekularmediziner können außerdem in der Pharmaindustrie Arbeit finden. Dort können neben Arbeiten im Labor (Forschung, Entwicklung, Diagnostik, …) auch andere Tätigkeiten, wie zum Beispiel im (Projekt-)Management ausgeübt werden. Abgesehen von der Forschung gibt es natürlich auch Berufsbilder in der Unternehmensberatung, bei naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften oder anderen Medienunternehmen. Ebenso gibt es auch Berufe bei staatlichen Einrichtungen wie Gesundheitsämtern oder in der forensischen Biologie. Außerdem gibt es viele Firmen, die sich in den verschiedensten Bereichen der Lebenswissenschaften entwickeln.
Wie Ihr seht gibt es jede Menge unterschiedliche Berufsmöglichkeiten, obwohl das Berufsbild des Molekularmediziners noch relativ jung ist. Auch in Zukunft werden sich weitere Berufsperspektiven ergeben, je bekannter dieses Berufsbild wird. Somit kann jeder seinen individuellen Weg bei all diesen Möglichkeiten finden.
Bericht des ersten Absolventen des Studiengangs Molekulare Medizin in Freiburg
Anfang letzten Jahres wurde ich zur zehnjährigen “Geburtstagsfeier” des Studienganges Molekulare Medizin in Freiburg als Absolvent des ersten Jahrganges (damals noch Diplom) eingeladen, und ich war heilfroh, daß ich noch vor dem Start meines zweiten “Postdocs” an der Stanford Universität dieser Feier beiwohnen durfte. Als ich am Abend der Feier bei Bier und Wein gefragt wurde, ob ich gerne meine Erfahrungen in einem Bericht an junge Studenten weitergeben möchte, habe ich dem natürlich sofort zugestimmt. Ich wußte genau, was ich Euch mit auf den Weg geben wollte. Tags darauf, auf dem Rückweg ins Labor, war meine Vorstellung schon ein bißchen verblaßt, sodaß ich mich entschied, während der Zugfahrt lieber ein Manuskript zu überarbeiten. Die Folge war natürlich, daß ich mich sofort wieder in Arbeit verstrickte, und dieser Erfahrungsbericht rückte gedanklich immer weiter in die Ferne. Nur eine Erinnerungsemail mit einer von mir erbetenen Frist bewegt mich heute (selbstverständlich einen Tag vor Ablauf) dazu mich daran zu setzen und ein paar Zeilen zu schreiben.
Was lernt der Molekularmediziner daraus? Ja, man trinkt auch nach dem Studium noch Bier und Wein, was eine gewisse Selbstüberschätzung zur Folge haben kann. Ja, dem Wissenschaftler fällt es im Allgemeinen viel leichter sich mit fachlich-greifbaren Dingen zu befassen, anstatt mit abstrakten, nicht geregelten. Und ja, auch nach dem Studium tendiert der Wissenschaftler dazu die Dinge auf den letzten Drücker zu erledigen, und die freie Zeit lieber mit noch mehr Experimenten zuzubringen.
Doch so schlimm das alles klingen mag, es ist genau so wie wir das wollen, und wenn ich ehrlich bin, ist es auch genau das, was ich von meinen (künftigen) Kollegen erwarte. Die Frage, ob man diesen Weg wirklich einschlagen will, muß aber natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Man sollte jedoch den Moment der Entscheidung nicht zu lange hinauszögern, denn auch diese Frist läuft irgendwann ab.
Inwieweit werden Molekularmediziner auf ihre (mögliche) Zukunft vorbereitet? Gut, die Gefahr der Selbstüberschätzung ist in einem Elitestudiengang quasi an der Tagesordnung. Wer es gewohnt war immer der oder die Beste zu sein, wird während des Studiums schnell feststellen, daß der Mitstudent nebenan sowie die Mitstudentin in der ersten Reihe auch immer die Besten waren, und am Ende können eben nicht alle die Besten sein, auch wenn das zumindest zu meiner Zeit besonders herausragende Charaktere nicht immer wahrhaben wollten. Sollte man also noch mehr lernen, um noch besser als der/die Beste zu sein? Die Antwort ist natürlich ja, wenn Ihr meint, daß Euch das deutlich voranbringt. Man könnte die Zeit aber auch nutzen, um herauszufinden, was man von seinem Studium wirklich erwartet. Wenn Euer Studium zum Ziel haben soll, in etwas, das Ihr schon sehr, sehr gut könnt, noch besser zu werden, dann viel Spaß beim Studieren der Lehrbücher. Aber mit der Auswahl für dieses Studium habt Ihr schon bewiesen, daß Ihr Wissen anhäufen könnt. Es geht im Studium meiner Meinung nach eher darum sich auf anderer Ebene weiterzuentwickeln, in Dingen besser zu werden, die man eben noch nicht so gut oder sogar noch gar nicht kann, z. B. komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich vor einem größeren Publikum zu präsentieren, oder sich die physikalischen Grundlagen für eine allseits bekannte (aber nicht verstandene) Technik anzueignen, selbst wenn man die Formeln im Detail nicht komplett durchschaut. Vor meinem Studium hatte ich zum Beispiel überhaupt keine Ahnung von Anatomie. Gut, ich bin sicherlich nicht zum Experten geworden, aber trotzdem habe ich heute ein so viel besseres Verständnis von Anatomie als zuvor. Genau auf solche neuen Dinge solltet Ihr Euch einlassen!
Versteht mich nicht falsch, Ihr werdet viel Zeit vor Lehrbüchern verbringen müssen, aber die Frage ist immer, ob es sich rentiert die letzten 24 Stunden vor einer Prüfung aufzuwenden, um sich nochmal 53 weitere Details einzuprägen, die man spätestens eine Woche später wieder vergessen hat. Ein solides Grundverständnis der Themen ist essentiell, und sicherlich kann man mit dem ein oder anderen Detailwissen in einer Prüfung Punkte machen. Aber speziell in mündlichen Prüfungen liegt es meist in der Hand des Prüflings, in welche Richtung sich eine Prüfung entwickelt, und ob man am Ende sein (nicht zwingendermaßen stark ausgeprägtes) Detailwissen anbringen kann. Denn sind wir ehrlich, es gibt nicht genug Zeit sich alles zu merken, und das wissen auch die Prüfer. Was Euch am Ende (nach der Prüfung) weiterbringen wird, ist tatsächlich das Verknüpfen der einzelnen Themen und Fachgebiete, die oft erwähnte Interdisziplinarität. Natürlich kann es nicht schaden die zwölf Hirnnerven mit einem lockeren Sprüchlein aufzählen zu können, aber wichtiger ist es zu wissen, daß es sie gibt, und vielleicht noch daß sie unterschiedliche Gebiete versorgen, was bestimmte Krankheitsbilder erklären kann. Die Details kann man in guten Lehrbüchern nachschlagen.
Ist der Molekularmediziner jetzt besser geeignet für die Molekulare Medizin als andere? Nein, überhaupt nicht. Aber das spezielle Studienangebot macht das interdisziplinäre Lernen, also das Schaffen von Verbindungen von Zellbiologie und Medizin leichter. Ihr dürft nur nicht vergessen, daß es lediglich ein Angebot ist. Davon kann man gebrauch machen, man muß aber nicht. Klar, müßt Ihr gewisse Kriterien erfüllen, aber manchmal reicht es auch die Mindestkriterien zu erfüllen, und die Zeit dann sinnvoller mit anderen Dingen zu verbringen. Dazu gehört im übrigen manchmal auch Bier und Wein. Das Wichtigste ist während des Studiums ein Gebiet zu finden, das Euch wirklich Spaß macht. Irgendetwas, in dem Ihr aufgeht, das Euch fasziniert, was Ihr total durchleuchten wollt. Wenn Ihr anfangt von diesem Thema ausgehend Quervernetzungen zu anderen Fachbereichen zu suchen, und dabei vom Studienangebot der Molekularen Medizin gebrauch macht, werdet Ihr dadurch das Thema von den unterschiedlichsten Seiten betrachten und eine einzigartige Sicht auf die Dinge finden, die Euch motivieren wird. Das ist deutlich mehr wert als am Ende auf dem Papier der oder die Beste zu sein. Deshalb ist es unglaublich wichtig sich während des Studiums eben nicht nur mit den “greifbaren” Dingen, z. B. der nächsten Prüfung (oder der Einhaltung der nächsten Frist), zu befassen, sondern weiterzugehen, seine Fühler auszustrecken, um das eben noch-nicht Greifbare, Abstrakte anzugreifen, auch wenn das auf Kosten der Details des ein oder anderen Faches passiert. Das Studium ist heute mehr als noch vor zehn Jahren voll gepackt mit Aufgaben, Fristen und Terminen, die eine Richtung vorgeben, in die Ihr Euch entwickeln sollt. Diese Richtung ist zweifelsohne sinnvoll, und wenn Ihr auf diesem Weg der oder die Beste seid, werdet Ihr sicherlich Erfolg haben. Aber es engt Euch gleichzeitig auch in Eurer fachlichen Entwicklung ein. Der Studienweg des einzelnen ist eben nicht festgeschrieben. Und wer erwartet, daß ein Dozent ihm sagt, welchen Weg er gehen soll, der wird hoffentlich enttäuscht.
So kitschig das klingen mag, aber Ihr müßt selbst Euren Weg finden, und Ihr solltet Euch dabei immer von Eurem Interesse und der Faszination leiten lassen, dann wird der Erfolg nicht ausbleiben. So habe ich das Studium der Molekularen Medizin eben nicht als schulische Unterrichtung verstanden, in der alle das Gleiche lernen sollen, sondern als Möglichkeit die verschiedenen Fachgebiete und ihre Herangehensweisen kennenzulernen, Schwerpunkte zu setzen und das für mich faszinierendste Thema in einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Und selbst wenn Ihr Euch erst auf den letzten Drücker zu einer Diplom- oder Doktorarbeit entscheidet, so sollte das immer aufgrund Eures Interesses und Eurer Neugier geschehen, und wenn Ihr dabei offen bleibt, und die Probleme von den verschiedenen Seiten betrachtet, die Ihr im Studium als Grundlage kennengelernt habt, dann werdet Ihr am Ende auch einen einzigartigen Weg gehen, und hoffentlich wie ich vor Ablauf der nächsten Frist zu Eurem Ziel kommen.
Dr. David Mick
Universitätsmedizin Göttingen
Abteilung Biochemie II
Erster Absolvent des Diplomstudienganges
Molekulare Medizin in Freiburg